Adolf-Reichwein-Schule / Pohlheim

Meine Begegnung mit den Geschwistern Reichwein

Dieser Beitrag ist abgelaufen: 13. Juni 2012 00:00

Ein Bericht von Norbert Kissel

Als die Nazis 1944 den Volksbildner, Kunsthistoriker und Wirtschaftswissenschafter Prof. Dr. Adolf Reichwein ermordeten, entledigten sie sich damit nicht nur eines engagierten Widerstandskämpfers. Sie nahmen auch einer Familie mit vier kleinen Kindern den Vater.

Schwer waren die ersten Jahre nach dem Krieg, oft war die Familie getrennt, weil die Kinder bei Verwandten und Freunden untergebracht werden mussten. Der gewaltsame Tod des Vaters mit den daraus erfolgten Konsequenzen für das Familienleben und die Bedeutung Reichweins innerhalb der deutschen Geschichte und für das Bildungswesen des 20. Jahrhunderts prägten das Leben von Ehefrau Rosemarie Reichwein und die Kindheit und Jugend von Renate, Roland, Kathrin und Sabine Reichwein.

Seit ich mich mit Leben und Werk des Namensgebers unserer Schule beschäftige, habe ich mir immer gewünscht, einmal die Geschwister Reichwein kennenzulernen - nicht nur weil sie wichtige Zeitzeugen sind. Für mich verkörpern sie auch die Möglichkeit einer unmittelbaren Begegnung mit dem, den ich nur von Fotos und aus Büchern kenne.

Ende September, am Rande der Jahrestagung des Adolf-Reichwein-Vereins e.V. an der ARS Friedberg, war es dann endlich soweit. Insbesondere bei Sabine Reichwein und ihrer Schwester Kathrin Pesch fiel mir die große Familienähnlichkeit zu ihrem Vater auf. Aber alle Kinder tragen nach meinem Empfinden etwas Spürbares von ihrem Vater in sich - jedenfalls etwas von dem, was sich nach meinem Studium der Literatur von und über Reichwein in mir als Bild dieses bedeutenden Menschen manifestiert hat.

Mit Sabine Reichwein, der jüngsten Tochter Adolf Reichweins, verbindet mich seit einiger Zeit ein herzlicher Briefwechsel. Sabine Reichwein wird mich auch bei meinem Jugendbuchprojekt unterstützen. Darüber bin ich sehr froh.

Der Adolf-Reichwein-Verein, zu dem auch unsere Schule gehört, widmet sich mit hoher Fachkompetenz und Hingabe der Aufgabe, das Leben und Werk Adolf Reichweins zu erforschen und für die Gestaltung unserer Gegenwart und Zukunft zur Verfügung zu halten. Viele Mitglieder sind namhafte Fachwissenschaftler und Hochschuldozenten. Auf dem Programm der Tagung standen neben einem Stadtrundgang und dem gelungenen „Apfelfest“ der ARS Friedberg u. a. auch anspruchsvolle Vorträge und Diskussionen zu Einrichtungen der Volksbildung zwischen dem Ersten Weltkrieg und dem Nationalsozialismus (Vortrag: Hans-Peter Thun, Berlin), der „nicht immer einfachen Freundschaft“ zwischen Adolf Reichwein und Rolf Gardiner (Vortrag: Dr. Klaus Schittko, Schweringen) und zu Aspekten und Erinnerungen an Kindheit und Jugend von Adolf Reichwein (Vortrag: Prof. Dr. Eugen Ernst, Neu-Anspach).
Näheres zu den Referaten kann man auf der Seite des Adolf-Reichwein-Vereins erfahren.

Viele Mitglieder des Vereins hatten von unserem Schullied gehört und wollten es gerne einmal „live“ erleben. Prof. Dr. Konrad Vanja, der Vorsitzende des Reichwein-Vereins (ein ebenso bedeutender Wissenschaftler wie liebenswürdiger Mensch) ergänzte deshalb kurzerhand die straffe Tagesordnung um den Punkt „Singen des Reichwein-Liedes“. Und so wurde mir die Ehre zuteil, mit den Mitgliedern der Tagung unser Schullied einzustudieren. Obwohl: Von Einstudieren konnte kaum die Rede sein, denn die meisten Anwesenden stehen in der Tradition der Wandervogelbewegung, d.h. sie sind allesamt geübte Sängerinnen und Sänger. „Ein Reichweinianer muss das können!“, meinte Prof. Vanja zu Beginn und er sollte Recht behalten. Wir waren schnell ein richtiger Chor. Ich war begeistert.

 Fam Reichwein 2011

Nach der gelungenen Gesangsstunde: (von links) Prof. Dr. Roland Reichwein, Sabine Reichwein, Norbert Kissel, Kathrin Pesch, geb. Reichwein, Renate Martin, geb. Reichwein, Prof. Dr. Konrad Vanja

 

Auch wenn die Zeit für Gespräche mit den Geschwistern Reichwein am Rande der Veranstaltung begrenzt war,  bin ich doch von der Begegnung beeindruckt nach Hause gefahren und hoffe, die Zukunft möge uns noch weitere Möglichkeiten der Begegnung bieten.
Von der ARS Friedberg und meiner Kollegin Direktorin Dorothee Hantschel nehme ich dankbar die Anregung mit, einmal im Jahr einen Projekttag zu gestalten, zu dessen Schwerpunkten auch das Leben und Werk Adolf Reichweins gehört.
Und vielleicht können wir im Herbst 2012 die Kinder Reichweins und andere Mitglieder des Vereins im Rahmen unseres Jubiläumsjahres als Gäste an unsrer ARS begrüßen. Sabine Reichwein hat schon zugesagt, auch wenn Berlin nicht gerade um die Ecke liegt!

 

| 9.2.2012