Adolf-Reichwein-Schule / Pohlheim

Die "Störerstelle"

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"Niemand hat das Recht einen Unterricht zu stören."

- unserer Meinung nach.

Ein Konzept der ARS zur Verminderung der Unterrichtsbeeinträchtigungen durch Schülerinnen und Schüler, die den Unterricht mutwillig stören.

 

 

 

Ein uraltes Problem von Schulunterricht

Mutwillige Unterrichtsstörungen durch Schüler gibt es, so lange es Schule gibt. Wenn das Maß von Unterrichtsstörungen die Umsetzung des schulischen Bildungsauftrags jedoch nachhaltig beeinträchtigt oder teilweise unmöglich macht, wenn Schüler auf Ermahnungen der Lehrkräfte nicht reagieren und uneinsichtig mit ihren Unterrichtsstörungen fortfahren, dann muss die Schule erzieherische bzw. ordnende Maßnahmen ergreifen.
Hemdsärmelige Rufe nach Bestrafung sind hier ebenso fehl am Platz wie eine Grundhaltung, die in jeder noch so geringen Sanktion das Seelenheil eines Kindes in Gefahr sieht.

Den Unterricht zu stören verletzt ein Grundrecht.

Schüler, die mutwillig den Unterricht nachhaltig stören, verletzen das Grundrecht ihrer Mitschüler auf ungestörtes Lernen in der Schule.
Sie verletzen auch das Recht der Lehrkräfte auf eine ungestörte Umsetzung ihres staatlichen Bildungsauftrags.
Hiergegen vorzugehen steht somit in einem hohen öffentlichen Interesse und berechtigt die Schule bei Wahrung der Verhältnismäßigkeit zum Sofortvollzug geeigneter pädagogischer Maßnahmen und Ordnungsmaßnahmen.

Von mutwilligen Störungen sind Verhaltensauffälligkeiten zu unterscheiden, die aufgrund psychischer bzw. seelischer Erkrankungen entstehen oder sich aus Ereignissen ergeben, die der Schüler nicht zu verantworten hat. In letzterem Fall hat die Schule zwar ebenfalls ordnend einzugreifen, jedoch mit anderen Konsequenzen für den störenden Schüler. Hier zu unterscheiden liegt in der Verantwortung und im Ermessen der Schule.

Die Amtsautorität des Lehrers

Gewiss, die Gestaltung des Unterrichts, die Persönlichkeit des Lehrers, seine Toleranzschwelle gegenüber Unterrichtsstörungen oder seine Beziehung zu den Schülern können das Auftreten von Unterrichtsstörungen begünstigen! 
Ungeachtet dessen steht aber jedem Lehrer eine staatlich garantierte Amtsautorität zu. Lehrer sind Schülern gegenüber weisungsbefugt. Schüler haben die Weisungen ihrer Lehrer zu befolgen. Insofern stellen z.B. ein langweiliges Unterrichtsthema in der 6. Stunde, Antipathie gegenüber einem Lehrer oder dessen Persönlichkeit nicht die geringste Legitimation für störendes Verhalten im Unterricht dar!

Die Erarbeitung des Konzepts

Mit dem Thema Unterrichtsstörungen haben sich zu Beginn des 2. Schulhalbjahres 2009/10 an der ARS Arbeitsgruppen von Eltern, Schülern, Lehrkräften sowie die Schulleitung beschäftigt und hierzu verschiedene Sichtweisen und Lösungsvorschläge gesammelt. In einer gemeinsamen Sitzung am 20. April 2010 wurden diese Ergebnisse vorgestellt, konstruktiv diskutiert und zu einem gemeinsamen Konzeptentwurf aufeinander abgestimmt.

Die vorliegende Fassung des Konzepts wurde von folgenden Lehrkräften erarbeitet: Axel Diehl, Christiane Grzimbke, Norbert Kissel, Christina Löwen, Renate Martin, Iris Müller und Hannelore Röhlinger.

Grundsätzliche Zielsetzung

Dieses nachfolgend dargestellte Konzept enthält Vorschläge, die sich im Rahmen pädagogischer Maßnahmen bewegen. Darüber hinausgehende Ordnungsmaßnahmen zu ergreifen, liegt im Ermessen und in der Verantwortung der Schulleitung. Es geht hierbei zunächst um den Schutz der lernwilligen Schüler und die ordnungsgemäße Umsetzung des staatlichen Bildungsauftrags der Schule. Desweiteren zielt das Konzept auch auf einen erzieherisch sinnvollen Umgang mit Schülern ab, die mutwillig den Unterricht stören.

Das Konzept ist mit Einrichtungen, die landläufig als „Trainingsraum“ bezeichnet werden, nur sehr entfernt verwandt.

Erfolgreicher Probelauf

Das Konzept „Störerstelle“ wurde im Zeitraum von Mai bis Juni 2010 zur Erprobung umgesetzt. Zuvor wurden Eltern- und Schülerschaft darüber informiert, wie mit Schülern künftig zu verfahren sei, die mutwillig den Unterricht stören.
Die Eltern hatten die Kenntnisnahme des Konzepts schriftlich bestätigt.
Die Lehrkräfte wurden von der Schulleitung angewiesen, konsequent im Sinne des Konzepts zu verfahren.

Ziele 

Schülerinnen und Schüler, die bewusst und mutwillig Unterricht stören, können nach Anordnung der unterrichtenden Lehrkraft in einem als „Störerstelle“ bezeichneten Raum von der Lerngruppe getrennt beaufsichtigt werden.
Diese Schüler haben dort in Stillarbeit jahrgangsbezogene Aufgabenblätter zu entsprechenden Unterrichtsthemen zu bearbeiten. 

Durch ein konsequentes aufeinander aufbauendes Verfahren im Störungsfall und die Einbeziehung der Erziehungsberechtigten, soll eine nachhaltige Wirkung der Störerstelle und damit auf Dauer eine Verringerung von Unterrichtsstörungen erzielt werden.
Die Störerstelle wird in einem Raum der ARS von montags bis freitags von der 1. bis zur 6. Stunde von Lehrkräften besetzt sein. In dieser Zeit können Schüler von ihren Lehren dorthin geschickt werden.

Personelle und organisatorische Umsetzung

Den Lehrkräften der ARS ist die ungestörte Durchführung des Unterrichts im Interesse der lernwilligen Schüler sehr wichtig. Deshalb haben sich viele bereiterklärt, über ihre Stundenverpflichtung hinaus diese Maßnahme durch die Übernahme von Aufsichten zu unterstützen. Sie werden in diesen Stunden von ihrer Verpflichtung zur Übernahme von Vertretungsunterricht von der Schulleitung freigestellt. Sollte die personelle Situation es erfordern (z.B. besonders hoher Krankenstand unter den Lehrkräften), hat die Sicherstellung des Fachunterrichts Vorrang. In diesen Fällen kann die Maßnahme zeitweise ausgesetzt werden. Die Entscheidung hierüber trifft die Schulleitung.

Konsequente Umsetzung des Konzepts

Die Lehrkräfte sind angewiesen, sich bei mutwilligen Unterrichtsstörungen auf keinerlei Diskussion mit den Verursachern einzulassen: Wenn ein Schüler nach einer zweiten Ermahnung sein Verhalten nicht ändert, hat er sich entschieden, den Unterrichtsraum zu verlassen und in die Störerstelle zu gehen.

Der Schüler erhält einen Laufzettel, der von der Lehrkraft ausgefüllt wird und hat sich unverzüglich zur Störerstelle zu begeben. Dort wird er von einer aufsichtsführenden Lehrkraft empfangen. Dokumentiert wird der Name des Schülers, von wem und aus welchem Anlass er geschickt worden ist. Aus dieser Dokumentation ist ersichtlich, wie häufig der Schüler die Störerstelle bereits besucht hat.
Bei Schülern, die erst kurz vor Ende der Stunde geschickt werden, entscheidet die Schulleitung, ob im Sinne einer pädagogischen Maßnahme eine zusätzliche Stunde am Nachmittag verordnet wird.

Die Schüler haben den verpassten Unterrichtsstoff selbstständig nachzuarbeiten. Der Schule entsteht keine Verpflichtung, bei Schülern, die den Unterricht mutwillig stören, für die Kompensation des so versäumten Unterrichtsstoffs auch noch Sorge zu tragen.

In der Störerstelle bearbeitet der Schüler ein ihm zugewiesenes Arbeitsblatt aus einem Materialpool, der von den Lehrkräften der Schule zusammengestellt worden ist. Es gibt für jedes Hauptfach und jeden Jahrgang verschiedene Arbeitsblätter mit Lösungsblättern. Wenn sich der Schüler nicht an die Weisungen der aufsichtsführenden Lehrkraft hält, wird er auf Antrag der Aufsicht von der Schulleitung für diesen Tag vom Unterricht suspendiert.

Weiterreichende Maßnahmen (u.a. Ordnungsmaßnahmen)

Musste ein Schüler bereits zum dritten Mal innerhalb eines kurzen Zeitraums die Störerstelle aufsuchen, wird der Schüler der Schulleitung überstellt. Die Schulleitung entscheidet dann darüber, ob der Schüler für diesen Tag vom Unterricht suspendiert wird. In diesem Fall werden die Eltern des Schülers telefonisch aufgefordert, nach Möglichkeit am darauf folgenden Tag zu einem Gespräch in die Schule zu kommen.

Hier wird entschieden werden, ob die weitere Teilnahme des Schülers am Unterricht Lehrern und Mitschülern zugemutet werden kann, ob von einer Unterstützung der Schule durch die Eltern ausgegangen werden kann, ob die Sozialarbeiterin der Schule, schulpsychologischer Dienst und Jugendamt zu informieren sind oder ggf. auch die Überprüfung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs im Sinne einer Förderschule für Erziehungshilfe angezeigt ist.

In jedem Fall erfolgt nach dem dritten Besuch in der Störerstelle eine schriftliche Benachrichtigung der Eltern.

Alle Vorgänge nach dem dritten Besuch in der Störerstelle werden in der Schülerakte nach den geltenden Rechtsverordnungen dokumentiert.

Erziehungsdefizite und die Pflichten der Eltern

Schüler, die Unterricht mutwillig bzw. vorsätzlich stören, weisen in den meisten Fällen erhebliche Defizite in der elterlichen Erziehung auf.
Das Fehlen eines verantwortungsvollen erzieherischen Handelns der Eltern ist zwar bedauerlich, es kann die Verhaltensauffälligkeiten eines Kindes erklären, aber es rechtfertigt sie nicht.
Vor allem lässt sich daraus keine Verpflichtung der lernwilligen Mitschüler ableiten, das Fehlverhalten ihrer störenden Klassenkameraden ertragen zu müssen!

Die Erziehungsberechtigten sind zur Unterstützung der Schule in ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag verpflichtet. Sie werden bei mehrmaligem Fehlverhalten Ihrer Kinder direkt in diese Pflicht genommen: Wenn sie trotz Aufforderung nicht mit der Schule kooperieren, muss entweder erzieherisches Unvermögen, Unterlassung oder die vorsätzliche Verletzung des Schulpflichtgesetzes unterstellt werden.
So wird es die Schule auch von der Kooperationswilligkeit der Eltern abhängig machen, wann ein Schüler nach einer Suspendierung wieder den Unterricht an der ARS besuchen darf.
Das Angebot einer beratenden Unterstützung der Eltern durch die Schule und andere staatliche Einrichtungen ist hiervon unberührt.

Evaluation

Das Konzept „Störerstelle“ wurde im Schuljahr 2009/10 nach einer ca. achtwöchigen Laufzeit durch eine Befragung sämtlicher Schüler und Lehrkräfte und die Auswertung der Dokumentation evaluiert. Das Ergebnis war eindeutig: Die Fortführung der Maßnahme wird mit großer Mehrheit befürwortet. Hierbei ist insbesondere erwähnenswert, dass die Schüler sich bei Unterrichtsstörungen ein noch konsequenteres Reagieren aller Lehrkräfte wünschten!

Auch im Schuljahr 2010/11 überzeugt sich die Schulleitung der ARS durch regelmäßige Besuche der Störerstelle, durch die Übernahme von Aufsichten und die Kontrolle der Dokumentationen von der Effizienz der Maßnahme. Eine weitere Evaluation wird gegen Ende des Schuljahres erfolgen. 
Danach wird entschieden werden, ob die Maßnahme durch die Schulkonferenz langfristig im Schulleben der ARS verankert wird.